Worüber Gott lacht

(rabbisacks.org)


 

Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt, dass Gott lacht, wenn er unsere Zukunftspläne sieht.[1] Wenn wir aber den Tanach als Leitfaden nehmen, dann ist das, worüber Gott lacht, der menschliche Größenwahn. Aus der Sicht des Himmels ist es die größte Absurdität, wenn Menschen anfangen, sich für gottähnlich zu halten.

 

Die Tora enthält mehrere aufschlussreiche Beispiele. Eines davon, dessen vollständige Bedeutung erst in jüngster Zeit erkannt wurde, ist die Geschichte vom Turmbau zu Babel. In der Ebene von Schinar versammeln sich da Menschen und beschließen, eine Stadt und einen Turm zu bauen, „der bis an den Himmel reichen sollte“ (Gen. 11:4). Tatsächlich haben wir eine archäologische Bestätigung dieser Tatsache. Mehrere mesopotamische Zikkurate, darunter der Tempel des Marduk in Babylon, wurden mit Inschriften gefunden, die besagen, dass sie bis zum Himmel reichen.[2]

 

Die Idee war, dass hohe Gebäude, von Menschenhand errichtete Berge, es den Menschen ermöglichen würden, zu den Wohnstätten der Götter aufzusteigen und mit ihnen zu kommunizieren. Die mesopotamischen Stadtstaaten gehörten zu den ersten Stätten der Zivilisation, die ihrerseits einen Wendepunkt in der Geschichte des menschlichen Lebens auf der Erde darstellte. Vor der Geburt der Landwirtschaft lebten die Menschen in Angst vor der Natur: vor Raubtieren, vor anderen Stämmen und Banden, vor der Wechselhaftigkeit von Hitze und Kälte, Dürre und Flut. Ihr Schicksal hing von Umständen ab, die sie nicht kontrollieren konnten.

 

Erst mit der Zunahme der Haustierhaltung und der Verbreitung des Ackerbaus schlossen sich die Menschen zunächst in Dörfern, dann in Städten und schließlich in Imperien zusammen. Das Kräfteverhältnis zwischen Natur und Kultur begann sich zu verschieben. Zum ersten Mal waren die Menschen nicht mehr darauf beschränkt, sich ihrer Umwelt anzupassen. Stattdessen konnten sie sich ihre Umgebung so anpassen, wie es ihnen entsprach. In diesem Moment begannen sie - vor allem die Herrscher - sich selbst als Götter, Halbgötter oder als Menschen zu sehen, die die Macht hatten, die Götter zu beeinflussen.

 

Das augenfälligste Symbol dafür waren Bauten von monumentalem Ausmaß: die Zikkurate von Babylon und anderen mesopotamischen Städten sowie die Pyramiden in Ägypten. Auf dem flachen Land des Tigris-Euphrat-Tals und des Nildeltas errichtet, überragten sie ihre Umgebung. Die große Pyramide von Gizeh, die noch vor der Geburt Abrahams erbaut wurde, war so monumental, dass sie 4000 Jahre lang das höchste von Menschenhand geschaffene Bauwerk der Erde blieb.

 

Die Tatsache, dass es sich um künstliche, von Menschen errichtete Berge handelte, verleitete ihre Erbauer zu der Annahme, die Menschen hätten gottähnliche Kräfte erlangt. Sie hatten eine Treppe zum Himmel errichtet. Darin liegt die Bedeutung des Satzes im Bericht der Tora über den Turm: „Und Gott kam herab, um die Stadt und den Turm zu sehen, den die Menschenkinder gebaut hatten“ (Gen. 11:5).

 

Hier lacht Gott. Auf der Erde dachten die Menschen, sie hätten den Himmel erreicht, aber für Gott war das Bauwerk so winzig, so mikroskopisch klein, dass er herabsteigen musste, um es überhaupt zu sehen. Erst seit der Erfindung des Fliegens wissen wir, wie klein das höchste Gebäude aussieht, wenn man es aus einer Höhe von nur 30.000 Fuß [etwa 9 km] betrachtet. Um ihrer Anmaßung ein Ende zu setzen, sagte Gott schlicht: Lasst uns „ihre Sprache verwirren“ (Gen. 11:7). Sie verstanden sich nicht mehr und so wurde das gesamte Projekt zur Farce.

 

Wir können uns die Situation vorstellen: Ein Vorarbeiter bittet um einen Ziegelstein und bekommt einen Hammer in die Hand gereicht. Er weist einen Arbeiter an, nach rechts zu gehen, und der Arbeiter geht nach links. Das Projekt scheiterte in einer Flut von Unverständnis. Die Menschen dachten, sie könnten in den Himmel steigen, aber am Ende konnten sie nicht einmal verstehen, was der Mensch neben ihnen sagte.

 

Der unvollendete Turm wurde zum Symbol für das unvermeidliche Scheitern ehrgeiziger Pläne. Die Baumeister erreichten ihr Ziel, aber nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Sie wollten sich „einen Namen machen“ (Gen. 11:4), und dies gelang ihnen auch. Aber anstatt zum Inbegriff der Fähigkeit des Menschen zu werden, den Himmel zu erreichen, wurde Babel zum Symbol der Verwirrung. Die Hybris wurde zur Nemesis.

 

Das zweite Beispiel ist Ägypten während der ersten Plagen. Moses und Aaron verwandelten das Wasser des Nils in Blut und füllten Ägypten mit Fröschen. Dann lesen wir, dass die ägyptischen Zauberer dasselbe taten, um zu zeigen, dass sie die gleichen Kräfte besaßen. Sie waren so sehr darauf bedacht, zu zeigen, dass sie die Fähigkeiten der Hebräer besaßen, dass sie völlig übersahen, dass sie die Situation verschlimmerten, anstatt sie zu verbessern. Die wahre Kunst wäre es gewesen, Blut wieder in Wasser zu verwandeln und Frösche nicht auftauchen, sondern verschwinden zu lassen.

 

Wir hören das göttliche Lachen vor allem bei der dritten Plage: den Läusen. Es war das erste Mal, dass die Zauberer bei dem Versuch, den Vorgang zu wiederholen, scheiterten. Geschlagen wandten sie sich an den Pharao und sagten: „Das ist der Finger Gottes.“ Der eigentliche Humor der Situation erschließt sich, wenn man bedenkt, dass für die Ägypter monumentale Architektur das Symbol der Macht war: Pyramiden, Tempel, Paläste und Statuen in gigantischen Ausmaßen. Gott zeigte ihnen seine Macht durch die kleinsten Insekten, schmerzhaft und doch für das Auge fast unsichtbar. Auch hier wurde die Selbstüberschätzung zum Verhängnis.

 

Wenn Menschen meinen, sie seien groß, zeigt Gott ihnen, dass sie klein sind - und umgekehrt. Gerade jene, die sich für klein halten - allen voran Moses, der demütigste aller Menschen - sind wirklich groß. Dies erklärt die ansonsten merkwürdige Begebenheit mit Bileams sprechendem Esel. Es handelt sich weder um eine phantastische Geschichte noch um ein bloßes Wunder. Sie ist das Ergebnis dessen, was die Moabiter und Midianiter über Bileam dachten - und vielleicht auch, was er von sich selbst hielt.

 

Balak, der König der Moabiter, schickte gemeinsam mit der midianitischen Führung eine Delegation zu Bileam, um ihn zu bitten, die Israeliten zu verfluchen: „Komm, verfluche mir dieses Volk, denn es ist zu mächtig für mich ... denn ich weiß, dass, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht“ (Num. 22:6). Dies ist ein heidnisches Verständnis des heiligen Mannes: der Schamane, der Magier, der Wundertäter, die Person mit Zugang zu übernatürlichen Kräften.

 

Die Auffassung der Tora ist genau das Gegenteil. Gott ist es, der segnet und verflucht, nicht der Mensch. „Ich werde segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen“, sagte Gott zu Abraham (Gen. 12:3). „Sie sollen Meinen Namen auf die Kinder Israels legen, und Ich werde sie segnen“, sagte er zu den Priestern (Num. 6:27). Die Vorstellung, dass man einen heiligen Mann anheuern kann, um jemanden zu verfluchen, setzt im Grunde voraus, dass Gott bestochen werden kann.

 

Die Geschichte ist zugegebenermaßen undurchsichtig. Gott befiehlt Bileam, nicht mitzugehen. Balak schickt eine zweite Delegation mit einem noch verlockenderen Angebot. Diesmal weist Gott Bileam an, mit ihnen zu gehen, aber nur das zu sagen, was Er ihm aufträgt. Am nächsten Morgen bricht Bileam auf, um mit den Moabitern zu kommen, aber der Text sagt nun, dass Gott „zornig“ auf ihn war, weil er gegangen war (Num. 22:22).

 

Dies ist der Moment, in dem sich die Begebenheit mit dem Esel ereignet. Der Esel sieht einen Engel, der ihm den Weg versperrt. Das Tier biegt auf ein Feld ab, aber Bileam stößt es und zwingt es zurück auf den Weg. Der Engel verstellt ihm immer noch den Weg, und der Esel weicht gegen eine Mauer aus, wobei er Bileam den Fuß zerquetscht. Bileam schlägt ihn erneut, doch schließlich legt er sich hin und weigert sich, weiter zu gehen.

 

In diesem Moment fängt der Esel an zu sprechen. Bileam blickt auf und sieht den Engel, der für ihn bis dahin unsichtbar war. Warum sagte Gott zu Bileam erst, er solle nicht gehen, dann, er solle gehen, und wurde schließlich zornig, als er ging? Offensichtlich konnte Gott seine Gedanken lesen und wusste, dass Bileam die Israeliten tatsächlich verfluchen wollte. Denn nachdem der Versuch, die Israeliten zu verfluchen, gescheitert war, gelang es Bileam später, ihnen doch Schaden zuzufügen. Er riet den Midianitern, ihre Frauen dazu zu bewegen, die israelitischen Männer zu verführen und damit den Zorn Gottes heraufzubeschwören (Num. 31:16).

 

Bileam war kein Freund der Israeliten. Doch auch die Geschichte vom sprechenden Esel ist ein Beispiel für göttliches Lachen. Da war ein Mann, von dem es hieß, er sei ein Meister der übernatürlichen Kräfte. Die Menschen glaubten, er könne segnen oder verfluchen, wen er wolle. Aber Gott, so sagt uns die Tora, ist ganz und gar nicht so.

 

Er hatte zwei Botschaften: eine für die Moabiter und Midianiter und eine für Bileam selbst. Er hat den Moabitern und Midianitern gezeigt, dass Israel nicht verflucht, sondern gesegnet ist. Je mehr man versucht, sie zu verfluchen, desto mehr werden sie gesegnet und man selbst verflucht. Das ist heute noch so wie damals. Überall auf der Welt gibt es Bestrebungen, den Staat und das Volk Israel zu verfluchen. Je größer die Arglist der Feinde Israels, desto stärker wird Israel und desto mehr Unheil bringen seine Feinde über ihr eigenes Volk.

 

Für Bileam selbst hatte Gott eine andere Botschaft, und die war sehr direkt. Wenn du glaubst, Gott kontrollieren zu können, dann, so sagt Gott, werde ich dir zeigen, dass ich einen Esel in einen Propheten und einen Propheten in einen Esel verwandeln kann. Dein Tier wird Engel sehen, für die du selbst blind bist. Bileam war gezwungen einzugestehen: „Wie kann ich jene verfluchen, die Gott nicht verflucht hat? Wie kann ich diejenigen verurteilen, die der Ewige nicht verurteilt hat?“ (Num. 23:8).

 

Selbstüberschätzung wird letztlich immer zum Verhängnis. In einer Welt, in der die Herrschenden mit endlosen Selbstverherrlichungsprojekten beschäftigt waren, hat allein Israel eine Literatur hervorgebracht, in der sie ihre Erfolge auf Gott und ihre Misserfolge auf sich selbst zurückführten. Das machte sie keineswegs schwach, sondern außerordentlich stark.

 

Und so ist es auch mit uns als Individuen. Ich hatte einen lieben Freund, der inzwischen verstorben ist, von dem man sagte, er habe „Gott so ernst genommen, dass er sich selbst überhaupt nicht ernst zu nehmen brauchte“. Propheten aus den Nationen wie Bileam hatten noch nicht die Lektion gelernt, die wir irgendwann alle lernen müssen: dass es nicht darauf ankommt, dass Gott tut, was wir wollen, sondern dass wir tun, was Er will. Gott lacht über diejenigen, die meinen, sie hätten gottähnliche Kräfte. Das Gegenteil ist der Fall. Je kleiner wir uns machen, desto größer werden wir.

 


 

[1] Die Variante von John Lennon lautet: „Das Leben ist das, was passiert, während man andere Pläne macht.“

[2] Der Turm zu Babel wird in der Enūma Eliš als Esagila bezeichnet, was soviel bedeutet wie „das Haus des erhobenen Hauptes“. Sowohl Nabopolassar als auch Nebukadnezar reparierten das Bauwerk, und Inschriften besagen, dass sie „das Haupt“ des Turms hoch erhoben, „um mit dem Himmel zu wetteifern“. Nahum Sarna, Understanding Genesis (New York, Schocken Books, 1970), S. 73.